Montag | 15.01.2024 | 19:00 Uhr
Prof. Dr. theol. Christian Grethlein, Münster und Prof. Dr. Rudolf Steinberg, Frankfurt

Kirche ohne Kirchensteuer? Zur Zukunft der Finanzierung von Religion in Deutschland

HdW, Olbers-Saal
Zusammen mit der Vereinigung für Bremische Kirchengeschichte

Seit 1919 finanzieren sich die beiden großen Kirchen in Deutschland vor allem aus den Kirchensteuern. Vorher sind sie großenteils direkt von den Landesherren unterhalten worden. Ursprünglich also als Form einer staatsunabhängigen Finanzierung erdacht, hat sich die Wahrnehmung binnen hundert Jahren umgedreht: Die Kirchensteuer ist zum Inbegriff der Allianz von Kirche und Staat geworden. Das wird in der Öffentlichkeit zunehmend als problematisch angesehen. Abgesehen von den zu erwartenden Einbußen an Mitgliedern und Einnahmen aus der Kirchensteuer ergibt sich für die Kirchen also ein wachsender Handlungsbedarf.

Aus praktisch-theologischer Perspektive erweist sich die Kirchensteuer in mehrfacher Hinsicht als problematisch: Empirisch verliert sie seit Jahrzehnten auch bei den Kirchenmitgliedern an Akzeptanz; theologisch verknüpft sie einen geistlichen Akt, das Sakrament der Taufe, mit einer finanziellen Verpflichtung; pastoral ist mit der Kirchensteuer eine binäre Kodierung der Kirchenmitgliedschaft verbunden – entweder man ist Mitglied der Kirche oder nicht –, die in der Praxis Probleme aufwirft (Kasualien; Arbeitsrecht). Vor diesem Hintergrund gewinnen alternative Formen der Finanzierung kirchlicher Arbeit an Bedeutung (z.B. Fundraising; Mandatssteuer).

Nach den beiden Vorträgen besteht Gelegenheit zum Austausch mit den Referenten.

Abbildung zeigt Prof. Dr. Grethlein

Christian Grethlein, Professor em. für Praktische Theologie in Münster ist einer der wenigen akademischen Theologen in Deutschland mit kirchenrechtlicher Expertise. Schon vor Jahren hat er einen Vorschlag unterbreitet, wie ein Abschied von der Kirchensteuer verantwortlich gestaltet werden könnte.

 

 
Die Abbildung zeigt Prof. Dr. Rudolf Steinberg
copyright Monika Müller

Rudolf Steinberg, Prof. em. u.a. für Öffentliches Recht in Frankfurt am Main hat sich eingehend mit den Grundlagen der Stellung der Religionsgemeinschaften im deutschen Religionsverfassungsrecht befasst. Dabei plädierte er jüngst für die Einführung einer Kultursteuer nach italienischem Vorbild im Rahmen einer Neugestaltung der Rechtsbeziehung von Staat und Religionen.